Atomendlager Morsleben: Dieser Stilllegungsplan wird keinen Bestand haben!

Wie geht es mit dem Atommüllendlager ERAM bei Morsleben weiter? 13.590 Bürgerinnen und Bürger haben Einwände gegen die weitgehende Verfüllung der Bergwerksanlagen mit Beton erhoben. Jetzt konnten die Einwender ihre Argumente bei der Erörterung des Stilllegungsplans intensiver begründen und diskutieren. Wie auch im Fall Asse kämpft man auch für Morsleben um eine Lösung mit maximaler Sicherheit bis hin zur Rückholung des Atommülls.

William Labitzke interviewt Andreas Fox

Die Braunschweiger SPD solidarisiert sich seit Jahren mit dem Bündnis „Weltatomerbe Braunschweiger Land“, das auf die Atommüll-Endlagerproblematik in unserer Region aufmerksam macht. Denn mit der Asse, dem Schacht Konrad und Morsleben ist unsere Region aktuell das Atomklo der Republik. Mit Morsleben haben wir neben der Asse die zweite Atommüllaltlast der Bundesrepublik vor der Tür. Zur aktuellen Situation um das Atomendlager Morsleben führte der Braunschweiger SPD-Umweltpolitiker William Labitzke ein Interview mit Andreas Fox von der Bürgerinitiative Morsleben.

Labitzke: Andreas, Ihr habt es geschafft, dass endlich auch beim Atomendlager Morsleben über Alternativen diskutiert wird, wie mit dem dort gelagerten Atommüll umgegangen werden soll. Warum hat es so lange gedauert, bis überhaupt eine Bürgerbeteiligung erfolgen konnte?

Fox: Noch unter der Ägide der damaligen Bundesumweltministerin Merkel hat man viel zu lange mit Lügen und Weisungen versucht, die Option Morsleben für die Atomwirtschaft offenzuhalten. Erst, nachdem mehr Atommüll als vorher zu DDR-Zeiten dort abgestellt und verkippt worden ist, konnten wir die Einlagerung mit einer Klage unterbinden. Das Bundesamt für Strahlenschutz BfS als Betreiber, Aufsichtsbehörde und Antragsteller zur Atommüllkippe Morsleben hat sich fast zwanzig Jahre Zeit gelassen, bis es einen Stilllegungsplan vorgelegt hat. Zur Planfeststellung musste jetzt darüber eine öffentliche Erörterung stattfinden. Wir wehren uns dagegen, dass man mangelnde geologische Eignung mit Betonbauwerken ausgleichen will, die dann über 40.000 Jahre halten sollen. Das BfS hat sich leider bis heute geweigert, alternative technische Konzepte und z.B. auch die einfach realisierbare Rückholung einzelner hochaktiver Strahlenquellen ernsthaft zu prüfen.

Labitzke: Der Stilllegungsplan umfasst einige hundert Seiten, das BfS hat über hundert weitere Dokumente online gestellt. Das habt ihr doch bestimmt nicht im Alleingang bewältigt.

Fox: Unsere BI Morsleben kämpft seit 1991 gegen faule Kompromisse in Morsleben und in der ganzen Atompolitik. Dass sich jetzt so viele Menschen mit dem Morsleben-Plan auseinandergesetzt haben, ist auch der erfolgreichen Zusammenarbeit mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz BUND in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt und den Aktionen zusammen mit den Asse-Initiativen, der AG Schacht Konrad und der BI Lüchow-Dannenberg / Gorleben zu danken. Allen ist klar: es geht um die Sicherheitsinteressen der Menschen in der Region, und es geht um die Signalwirkung für die anderen Endlagerprojekte.

Labitzke: Und geht man dann mit einem solchen Plan um, der von -zig hochbezahlten Leute und Gutachter aufgestellt wurde?

Fox: Ohne wissenschaftliche und juristische Unterstützung geht da gar nichts. Deshalb war auch ein wichtiges Ziel der Einwendungskampagne, auch finanzielle Unterstützung zu bekommen. So konnten wir dann guten Gewissens die kritischen Wissenschaftler vom Hannoveraner Büro intac und den in Atomfragen bewanderten Anwalt Ulrich Wollenteit engagieren. Die haben dann auch zusammen mit uns und einigen weiteren Einwendern die Schwachstellen der Planung in der Erörterung klar herausgearbeitet. Jetzt fehlen „nur“ noch einige Tausend Euro, um die letzten Rechnungen dafür zu bezahlen. Es ist auch schon ein krasses Missverhältnis, was sich da auftut zwischen dem bestens ausgestatteten Apparat, der da am langen Band der politischen Vorgaben Ergebnisse produziert, und den mühsam zusammengekratzten Mitteln der kritischen Bürger. Das ging bis zum Erörterungstermin, wo sich die Behörden bestausgestattete Büros und Beratungsräume eingerichtet hatten… Immerhin hat sich die Genehmigungsbehörde sichtlich um einen fairen Diskussionsablauf bemüht und die Antragsteller immer wieder dazu gebracht, auch zu unbequemen Fragen eingehend Stellung zu beziehen.

Labitzke: Das Protokoll der Erörterung ist für Anfang nächsten Jahres angekündigt, und der Planfeststellungsbeschluss wird dann noch einige Zeit auf sich warten lassen. Was erhofft Ihr Euch als Bürgerinitiative Morsleben? Wie soll es Eurer Meinung nach in Morsleben weiter gehen?

Fox: Dieser Stilllegungsplan wird keinen Bestand haben. So haben die Antragsteller erst auf Drängen der Genehmigungsbehörde überhaupt eine Versuch gemacht, um nachzuweisen, dass die vorgeschlagene Betonlösung rein technisch funktionieren kann. Und schon dieser erste Versuch ist gescheitert. Wir dürfen gespannt sein, was da noch an Überraschungen auf uns zukommt. Es ist davon auszugehen, dass das radioaktive Inventar später über lange Zeiträume hinaus aus der Grube ausgepresst werden wird. Wir hatten schon eine muntere Diskussion über einzuhaltende Grenzwerte. Je mehr man sich von den geplanten 300 mikroSievert dem für andere Endlager jetzt festgelegten 10 mikroSievert pro Jahr nähert, um so fragwürdiger wird das Stilllegungskonzept. Wir wollen, dass der Stand von Wissenschaft und Technik berücksichtigt wird. Wenn das in Morsleben nicht realisierbar ist, muss alles wieder raus, angefangen bei dem Atommüll, den man gegen besseres Wissen nach 1989 dort verkippt hat. Und wir bestehen auch auf der Einhaltung rechtlicher Normen, die allein schon den Verbleib der hochaktiven Abfälle in Morsleben verbieten.

Labitzke: Haben die Menschen der Region, haben BI Morsleben und BUND denn einen Einblick in die aktuellen Abläufe?

Fox: Wir fordern, dass ähnlich wie in der Asse eine Begleitgruppe eingerichtet wird, in der Vertreter der Region und Umweltinitiativen mit wissenschaftlicher Unterstützung die laufenden Entscheidungen und Problemlösungen mit den Betreibern und Genehmigungsbehörden beraten. Und in das laufende Planfeststellungsverfahren zur Stilllegung, an dem die Antragsteller selbstverständlich beteiligt sind, müssen auch die Einwender kontinuierlich einbezogen werden. Um ein Minimum an Vertrauen in der Bevölkerung herzustellen, ist ein erweitertes Strahlungsmessprogramm in der näheren Umgebung genau wie um die Asse herum notwendig. Alle Messergebnisse müssen kontinuierlich und zeitnah online gestellt werden.

Labitzke: Bis 1998 wurde in ERAM Atommüll eingelagert. Das Bundesamt für Strahlenschutz ist Betreiber der Anlage und Antragsteller der Planfeststellung zur Schließung der Anlage. In der Asse bereitet sie die Rückholung des Atommülls vor. Was würde aus Deiner Sicht eine etwaige zukünftige Rückholung des Atommülls aus dem ERAM für die Atomdebatte bedeuten?

Fox: Die ganze Frage der Endlagerung des Atommülls ist ja ungeklärt. Diese Unterscheidungen zwischen schwach- und mittelaktiven Abfällen einerseits und hochaktiven andererseits verdecken die Tatsache, dass alle diese Abfälle für Mensch und Natur langfristig hochgefährlich und giftig sind. Für alle Abfälle sind Lösungen mit höchstmöglicher Sicherheit zu fordern. Das können weder die schon absaufende Asse noch das marode Altbergwerk Morsleben leisten. Teilweise oder vollständige Rückholungen werden den Druck zum Ausstieg aus der Atomenergie in ganz Europa und der Welt erhöhen.

Labitzke: Andreas, das wird noch ein weiter Weg für Euch. Neben der ideellen Unterstützung, der Unterstützung auf Demos oder bei Kundgebungen – wie können wir Euch noch unterstützen?

Fox: Mit dem Morsleben-Sonderfonds sam­meln BI Morsleben und BUND Spenden für die Kosten der wissenschaftlichen Beratung, die Kosten der Rechtsberatung, die Informationsarbeit und ggf. auch der Finanzierung späterer Klagen. Einzelpersonen genauso wie Organisationen können unsere Arbeit mit ihrem Beitrag unterstützen! Und vielen Dank für die politische Unterstützung, wie wir sie z.B. von den Grünen und eben auch von der SPD erfahren. Das alles sind wichtige Beiträge auf dem Weg in eine Zukunft ohne Atomenergie.

Labitzke: Vielen Dank für das Interview!

BUND-Sonderkonto,
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Kto. 166 98 00
Stichwort „Sonderfonds ERAMorsleben-Stilllegung“