

Die Frage im Umgang mit Atommüll – sei es aus medizinischer, gewerblicher oder energieindustrieller Herkunft – ist in unserer Region in aller Munde. Da kommt der Frage des Bauvorhabens der Firma Eckert & Ziegler eine besondere Bedeutung zu, denn diese beabsichtigt ihre Fläche für die Aufbereitung und Kommissionierung radioaktiver Abfälle zu erweitern. Zu dieser Frage, die insbesondere den Norden Braunschweigs betrifft, führten wir ein Interview mit Hartmut Kroll, Bürgermeister im Stadtbezirk 323 Wenden-Thune-Harxbüttel.
Labitzke: Herr Kroll, wir gratulieren Dir zur Wahl zum Bezirksbürgermeister im Stadtbezirk Wenden-Thune-Harxbüttel. Sie haben die Mundlos-Ära im Norden Braunschweigs einerseits beendet – anderseits fing Ihr erster Arbeitstag mit einem Paukenschlag an: unerwartet reichte die Firma Eckert & Ziegler einen Bauantrag zur Ausweitung der Gewerbeflächen in Wenden ein.
Kroll: Die Erweiterung der Firma überraschte wegen des vorher unbekannten Umfangs. Die Wahrheit kam sehr zögerlich ans Licht, dass atomarer Müll in mehrfachem sechsstelligen Kubikmeter-Bereich verarbeitet werden soll. Im Vorfeld war nur über die Untersuchung der Möglichkeiten der Konditionierung von Asselauge die Rede, was Unmut und Befürchtungen auslöste, weil die Entsorgung des Assemülls bereits die gesamte Region beunruhigte.
Labitzke: Mit der Bürgerinitiative BISS erhebt sich nicht nur eine Bürgergruppe sondern auch viele Anwohnerinnen und Anwohner gegen dieses Bauvorhaben. In welcher Rolle sehen Sie sich, die Interessen der Bürgerinnen und Bürger vor Ort politisch zu begleiten.
Kroll: Eines meiner Hauptanliegen als neuer Bezirksbürgermeister war die Nähe der Bürger zu suchen, deren Vertrauen in die Politik zurück zu gewinnen und für politische Abläufe und Entscheidungen die größtmögliche Transparenz herzustellen und die Bürgerinnen und Bürger in die anstehenden Entscheidungsprozesse einzubinden. Die Problematik um E & Z machte alle mobil: vornehmlich junge Familien aber auch die älteren Mitbürger. Hier ist es wichtig, dass ich durch meine Präsenz nicht nur Solidarität vermittle, sondern mich auch politisch für eine gesunde und zukunftorientierte Entwicklung des Stadtbezirks einsetze und positioniere. Für die Weiterentwicklung des Schulzentrums, Erschließung neuer Bebauungsgebiete und Verbesserung der Infrastruktur bewerte ich die geplanten Veränderungen um E & Z als Belastung und großen Störfaktor.
Labitzke: Die SPD-Fraktion brachte zur letzten Ratssitzung einen Antrag zur Aufstellung eines Bebauungsplanes ein, mit dem Ziel, in diesem konkreten Fall, Bedingungen für Anlagen zur Behandlung von radioaktiven Abfällen zu definieren und neu zu regeln. Wie stehen Sie vor Ort zu diesem Antrag?
Kroll: Dieses Ansinnen reicht meines Erachtens nicht aus. Die kritische Aufarbeitung der damaligen ausgestellten Genehmigungen und letztendliche Ansiedlung der heutigen Firmengruppe in dem damals schon ausgewiesenen Wohngebiet bedarf einer dringenden Neubewertung. Eigentlich war die Tragweite der damaligen Entscheidungen bereits bekannt, wurde aber leider immer wieder verharmlost. Erst durch die neuerlichen wissenschaftlichen Nachforschungen und Enthüllungen wird deutlich, dass zunächst Forderungen zur Verbesserung von Sicherheitsstandards für den derzeitigen Betrieb erfüllt werden müssen, bevor man Expansionsgedanken in die Tat umsetzen möchte. Expansion heißt ja auch nicht, den bisherigen nuklearmedizinischen Bereich zu erweitern, sondern sich der neuen Aufgabe der Verarbeitung atomaren Mülls in großen profitablen Stil zuzuwenden. Hierzu braucht man keine neue Definition oder Regelung, sondern die geltenden Vorschriften weisen eindeutig aus, dass solch ein Betrieb in einem Wohngebiet keine Genehmigung erhält bzw. erhalten darf.
Labitzke: Unabhängig davon findet ein öffentliches Hearing von Sachverständigen und Beteiligten zum Thema „Risiken der Verarbeitung von umweltgefährdenden Stoffen, insbesondere strahlender Abfallstoffe in der Nähe von Wohngebieten“ statt. Was erhoffen Sie sich vom Hearing?
Kroll: Das Gerangel um die Podiumsplätze und die Anzahl der Experten für das Hearing zeigt auf, wie brisant und auch zukunftsweisend das Ergebnis dieser Form von Meinungsbildung ist. Wichtig ist, dass alle Experten nicht in eine pro und contra Diskussion verfallen und versuchen historisches administratives Fehlverhalten aufzudecken oder zu entschuldigen, sondern ohne Umschweife und für den Normalbürger verständlich die Problematik beim Umgang mit und der Verarbeitung von atomarem Material offenlegen. Die Mitglieder des Rates der Stadt haben den Auftrag sich ob der Problematik eine fundierte Meinung zu bilden. Deshalb sollten sie gut zuhören und gewichten, was für das Wohlergehen der Bürgerinnen und Bürger im betroffenen Stadtbezirk als verträgliche Entscheidung getroffen werden muss.
Einen Nebeneffekt erhoffe ich mir „on topp“: Die Diskussion und die Betroffenheit darf nicht in den Grenzen des Stadtbezirks hängen bleiben. Wie die derzeitige Medienpräsenz beweist: das Thema geht uns alle, auch die Politik, nicht nur regional- oder landesweit, sondern auch bundesweit an.
Labitzke: Herr Kroll, wir danken Ihnen für das Interview und wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg bei der Ausführung Ihres Amtes.