In der Heimat geboren – Alt werden in Deutschland: Diskussion über kultursensible Pflege mit Carola Reimann MdB

Nach über 40 Jahren sind die Menschen der ersten Einwanderungsgeneration in Deutschland ins Rentenalter gekommen und haben jetzt vielfach einen Bedarf an Alterspflege. Nicht nur aus diesem Grund wird der Wunsch nach einer kultursensiblen Pflege sowie einer Pflegereform immer lauter. Doch was muss der Pflegebereich in Zukunft alles leisten können? Zu diesen Themen referierte Dr. Carola Reimann MdB, Vorsitzende des Gesundheitsausschusses des Bundestages.

Carola Reimann
Tanja Teichert

Der SPD-Arbeitskreis Migration setzt seine Diskussionsreihe um ein gemeinsames und interkulturelles Älter-werden in Braunschweig fort. Viele Expertinnen und Experten aus dem Bereich der Altenpflege sowie Interessierte waren der Einladung in das AWO-Wohn- und Pflegeheim in der Dresdenstraße gefolgt.

Der demografische Wandel bringt neue Herausforderungen mit sich. Schon heute leben viele ältere Menschen, die aus verschiedenen Kulturkreisen kommen, in Deutschland. Sprachliche aber auch tagtägliche Abläufe führen häufig zu Missverständnissen. Speziell die Frage, welche besonderen Bedürfnisse ältere Menschen mit Migrationshintergrund haben und wie man diesen insbesondere im Bereich der Pflege gerecht werden kann, standen im Mittelpunkt der Diskussion. „Die erste Generation der Gastarbeiter hat es bisher nicht einfach gehabt in Deutschland. Nun haben sie wie alle Pflegebedürftigen ein Anrecht darauf, ihren Lebensabend in Würde, Respekt und Sicherheit in Deutschland verbringen zu dürfen“, begrüßte Ratsfrau Kate Grigat alle Interessierten.

Was in diesem Bereich auf Bundesebene unternommen werde, darüber referierte die Bundestagsabgeordnete Dr. Carola Reimann. Sie erläuterte in ihrem Referat, dass der Begriff der kultursensiblen Pflege bereits 2008 während der Großen Koalition eingeführt wurde. Sie distanzierte sich dabei von den Vorschlägen der Bundesregierung für die Pflegereform. „Ziel einer zukunftsweisenden Pflegereform ist es, eine grundlegende strukturelle Reform voranzubringen“, forderte Reimann. Hierzu gehören die dezentralen Pflegestützpunkte, die vor Ort die Pflegeleistungen bündeln, genauso wie die Weiterführung des Beratungsausbaus. Dabei gebe die geplante schwarz-gelbe Pflegereform keine Antworten zur zukünftigen Pflegeausbildung, zur kultursensiblen Pflege und zum Fachkräftemangel. Die SPD fordere dabei, den Begriff der Pflegebedürftigkeit umzusetzen und die Einführung einer Pflegebürgerversicherung.
 

Einig waren sich alle: Die Erfahrungen und Probleme, die jeder Mensch erfährt, wenn er in Berührung mit dem Thema Altenpflege kommt, sind für alle Kulturkreise gleich. Seien es die finanziellen Belastungen oder das Problem, die eigenen Eltern in eine Pflegeeinrichtung geben zu müssen. Diese Probleme sind mal mehr, malweniger ausgeprägt, zeigen aber deutlich, dass die Berührungsängste in der Altenpflege kein migrationsspezifisches, sondern ein allgemeines Problem darstellen. Deshalb muss die Altenpflege zukünftig noch mehr den Spagat zwischen einem Angebot, das eine große und heterogene Gemeinschaft anspricht, aber auch auf individuelle Bedürfnisse eines jeden Menschen eingeht, schaffen. Hier wird auch der interkulturellen Bildung zukünftig eine wichtige Rolle zukommen.
 

„Wie können wir das Unterschiedliche verbinden, um das Interkulturelle zu erreichen, ohne die individuellen Probleme eines jeden einzelnen aus den Augen zu verlieren“, fasste Ratsfrau Tanja Teichert den Abend in einer Frage zusammen. Hier sei es der SPD vor allem wichtig, einerseits eine Kultur der Offenheit und Transparenz auch im Bereich der Altenpflege zu erreichen. Andererseits müssen die Menschen dort abgeholt werden, wo sie sind. Gerade im Alter dürfen sie nicht alleine gelassen werden. Sie versprach, dass der SPD Arbeitskreis für Migrationsfragen sich das Thema „interkulturelles Älter-werden in Deutschland“ weiter auf die politische Agenda schreiben wird und alle Interessierten im Entwicklungsprozess herzlich willkommen sind.

Von William Labitzke