Kuno Rieke: Gedenken an den letzten demokratischen Landtagspräsidenten des Braunschweigischen Landtages

Am 21. Oktober fand in der Friedenskapelle auf dem Katholischen Friedhof Helmstedter Straße eine Gedenkveranstaltung für Kuno Rieke statt. Landtagsabgeordneter Klaus-Peter Bachmann hatte die Veranstaltung für den „fast vergessenen Sozialdemokraten“, wie er es formulierte, im Jahr seines 115. Geburtstages initiiert. Der SPD-Unterbezirksvorsitzende und stellv. Vorsitzende der SPD-Ratsfraktion Christoph Bratmann begrüßte die Gäste, vor allem die Familie Rieke und Ulrich Schade.

Am Grab von Kuno Rieke, von links: Christoph Bratmann (SPD-Unterbezirksvorsitzender und Ratsherr), Bürgermeisterin Annegret Ihbe, Ulrich Schade (Vorsitzender des Vereins „Gedenkstätte für Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft e. V.“, der die Friedenskapelle unterhält.), Klaus-Peter Bachmann MdL, Dr. Carola Reimann MdB, Cornelia Seiffert (Ratsfrau und Vorsitzende der AWO-Süd), Angelika Schwarz (AWO-Kreisverband) und die Familie von Kuno Rieke
Bei der Gedenkrede, von links: Klaus-Peter Bachmann MdL, Bürgermeisterin Annegret Ihbe, Christoph Bratmann (SPD-Unterbezirksvorsitzender und Ratsherr) und Ulrich Schade (Vorsitzender des Vereins „Gedenkstätte für Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft e. V.“)

Fotos und Text: Sigrid Herrmann

Schade ist Vorsitzender des Vereins  „Gedenkstätte für Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft e. V.“, der die Friedenskapelle unterhält. Bratmann bemerkte, die SPD habe derzeit viele runde Gedenktage, ihr 150jähriges Bestehen 2013 und viele aktuelle Gedenktage an Opfer von Krieg und Faschismus. Er dankte besonders der Schwiegertochter von Kuno Rieke, ihrer Tochter und ihrem Sohn, der von seiner Frau und seinen zwei Töchtern begleitet wurde, für ihr Kommen.

Am Grab von Kuno Rieke legten die Anwesenden einen Kranz nieder und Schade erläuterte, wie es zu der Gedenkstätte auf dem Friedhof kam, wie der Verein die damals baufällige Kapelle von der Katholischen Kirche übernahm und auf dem Friedhof, in der Nähe der Gräber von Opfern des Krieges und Nationalsozialismus, den Friedenspfad angelegt hat. Die unmittelbare Nähe zur letzten Ruhestätte von Kuno Rieke ist für den Gedenkstättenverein „immer wieder Anlass“ an ihn zu erinnern.

 

In der Kapelle hielt Klaus-Peter Bachmann in seiner Funktion als Sprecher der Bezirksgruppe Braunschweig der SPD-Abgeordneten im Niedersächsischen Landtag die Gedenkrede für Kuno Rieke, den letzten demokratischen Präsidenten des Braunschweigischen Landtages, der vor fast genau 81 Jahren von den Nationalsozialisten aus dem Amt gedrängt wurde. Bachmann bemerkte, er habe früher eng mit dem verstorbenen Sohn von Kuno Rieke, dem Braunschweiger Berufsschullehrer Klaus Rieke, zusammengearbeitet. Klaus Rieke war als früherer Vorsitzender des Freundeskreises Ehemaliger Suchtmittelabhängiger aktiv. Bachmann begrüßte ferner Braunschweigs Bürgermeisterin Annegret Ihbe, Dr. Carola Reimann MdB, die Ratsfrau und AWO-Ortsvereinsvorsitzende Cornelia Seiffert, Angelika Schwarz vom AWO-Kreisverband, Fritz Wilhelm vom Vorstand des Vereins Andere Geschichte, Frieder Schöbel vom Friedenszentrum, die stellv. Vorsitzende der AWO-Süd Sigrid Herrmann und Simone Wilimzig-Wilke vom SPD-Unterbezirk.

Es sei schon in den dreißiger Jahren üblich gewesen, dass die stärkste Partei im Landtag den Präsidenten stellte, aber dann hätte ein Bündnis aus vier konservativen Parteien (DNVP, DVP, Zentrum, WP) mit der NSDAP, Kuno Rieke mit 20 zu 17 Stimmen aus dem Amt des Landtagspräsidenten gewählt. Das sei ein „undemokratischer Vorgang“ gewesen, stellte Bachmann fest. Diese Vorläufer heutiger konservativer Parteien wählten danach Ernst Zörner von der NSDAP zum Landtags- und Werner Küchenthal von den Bürgerlichen zum Ministerpräsidenten.

Kuno Rieke, geboren 1897 in Braunschweig, begann vor dem 1. Weltkrieg eine Lehrerausbildung, schloss sie nach dem Krieg ab. Er arbeitete ab 1924 im Landesschulamt, wurde 1928 Regierungsrat, trat 1920 in die sozialdemokratische Partei (damals MSPD) ein, 1924 ins Reichsbanner, gehörte nach zwei Jahren dem Bezirksvorstand der Sozialdemokraten an. Er wurde bereits 1924 mit erst 27 Jahren Abgeordneter und 1930 Landtagspräsident sowie Kreisdirektor des Landkreises Blankenburg. 1931 verlor Rieke durch die Nazis das Präsidentenamt, blieb noch bis 1933 Abgeordneter, floh nach Dänemark, kehrte aber bald zurück in der Hoffnung, „dass der Nazi-Spuk bald vorbei sei“. Er wurde dann 1935 verhaftet und in das KZ Dachau gebracht. 1943 befürwortete sogar die Lagerleitung sein Entlassungsgesuch, das aber am verhängnisvollen Nazi-Ministerpräsidenten Dietrich Klagges scheiterte. Rieke starb 1945 im Lager an einer Krankheit, ähnlich wie sein früherer Mentor Dr. Heinrich Jasper. Klagges, der auch Hitler zum deutschen Staatsbürger gemacht hat und damit Wegbereiter Hitlers war „trug also auch die volle persönliche Schuld am Tod von Kuno Rieke“, so Bachmann. Der spätere SPD-Ministerpräsident Alfred Kubel hat es – so Bachmann – nie verwunden, dass das Land Niedersachsen diesem „schlimmen Nazi“ auch noch in demokratischer Zeit eine Staatspension zahlen musste.

Unmittelbar nach 1945 wurde eine Straße in der Schunteraue in „Riekestraße“ umbenannt. Bachmann schloss seine Rede mit der Überlegung, dass der engagierte und überaus talentierte Sozialdemokrat Kuno Rieke sicher noch viel bewirkt hätte, wenn er überlebt hätte.

Ulrich Schade erläuterte die Ausgestaltung der Friedenskapelle und die Arbeit des Gedenkstättenvereins. Zum Abschluss erklärte der Enkel Kuno Riekes, Klaus-Peter Rieke, leider sei Frieden immer noch nicht selbstverständlich auf dieser Welt, aber Bildung, die auch seinem Großvater sehr am Herzen lag, sei ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Er und seine Familie seien sehr ergriffen von diesem Gedenken. Bachmann versprach in Zukunft werde regelmäßig an besondere Tage erinnert werden und dankte dem Arbeitskreis Andere Geschichte für die Erinnerungsmappe an Kuno Rieke in der Gedenkstätte Schillstrasse und dem Gedenkstättenverein und seinem Vorsitzenden Ulrich Schade für die Mitausgestaltung der Gedenkveranstaltung und für die umfassende Recherche.