Gastbeitrag von Carola Reimann in der Frankfurter Rundschau: „Elternglück nicht nur für Reiche“

Wenn die Begünstigung für Kinder bei der Steuer steigt, müssen auch der Kinderzuschlag und das Kindergeld erhöht werden. Eine sinnvolle Familienpolitik stellt drei wesentliche Dinge sicher: Zeit für die Familie, eine funktionierende Infrastruktur sowie eine gezielte finanzielle Unterstützung von Müttern und Vätern. Diese drei Elemente gehören zusammen und bringen Eltern nur im Zusammenspiel Vorteile, um das Familienleben im Interesse aller Beteiligten möglichst gut organisie

Bei den ersten beiden Punkten, der Zeitpolitik und dem Ausbau von Betreuungsangeboten, sind wir mittlerweile auf einem guten Weg. Die Zeitnöte von Eltern sind inzwischen Teil der politischen Agenda. Mit dem Elterngeld plus und der Familienpflegezeit wurde Druck von Familien genommen und mehr Spielräume zur individuellen Lebensgestaltung wurden eröffnet. Der Kitaausbau ist bereits vor Jahren als wichtiges politisches Ziel erkannt worden. Hier haben Bund und Länder gemeinsam enorme Fortschritte erzielt, wenngleich mit der Verbesserung der Betreuungsqualität noch viel zu tun bleibt.

Familien brauchen aber auch eine auskömmliche finanzielle Unterstützung. Eltern sehen sich heute in stärkerem Maße in einer Mehrfachverantwortung – für ihre Kinder und die eigene berufliche Laufbahn. Oft ist ein Hauskredit zu bedienen, eine immer höhere Miete zu bezahlen, und zusätzliche Altersversorgung soll auch noch geleistet werden.

Aus der Armutsforschung aber wissen wir, dass gutes Familienleben besonders dort gedeiht, wo Eltern frei sind von finanziellen Nöten und Sorgen. Der zehnte Existenzminimumbericht, der in diesen Tagen dem Bundeskabinett vorgelegt wird, erinnert regelmäßig genau daran. Die Autorinnen und Autoren legen darin dar, dass die notwendigen Mittel für die Versorgung eines Kindes kontinuierlich steigen.

Deshalb muss der Freibetrag für das sächliche Existenzminimum eines Kindes um insgesamt 240 Euro pro Jahr angehoben werden. Dazu ist der Gesetzgeber verpflichtet. Das ist gut so, hat aus Sicht der SPD aber einen erheblichen Pferdefuß. Denn von der Freibetragserhöhung profitieren ausschließlich Familien mit den höchsten Einkommen. Die Alleinerziehende in München, die halbtags als Sachbearbeiterin arbeitet, geht genauso leer aus wie der Automechaniker in Chemnitz. In der Vergangenheit war es deshalb guter Brauch, dass mit der Freibetragserhöhung eine entsprechende Kindergelderhöhung einhergeht. Das müssen wir jetzt wieder so halten. Nur so können wir verhindern, dass sich in der Familienförderung die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter öffnet.

Eine Kindergelderhöhung und damit verbunden die Weiterentwicklung des Kinderzuschlags für Geringverdiener sind zudem wichtige Bausteine für die Ergänzung des gesetzlichen Mindestlohns. Insbesondere der Kinderzuschlag unterstützt gezielt Familien mit niedrigen Erwerbseinkommen. Dort, wo er ankommt, ist er sehr wirksam, wurde allerdings seit seiner Einführung im Jahr 2005 noch nie erhöht. Deshalb erfüllt er seine Funktion, den Unterhalt eines Kindes komplett abzudecken, heute nicht mehr. Hier ist eine entsprechende Anpassung nach oben dringend notwendig.

Dasselbe gilt für den Entlastungsfreibetrag für Alleinerziehende. Denn wer Familien besser unterstützen will, darf diese große Gruppe von Eltern nicht vergessen. Sie gehen arbeiten, sie erziehen, umsorgen, führen den Haushalt- – kurz sie machen all das allein, was in Paarfamilien von zweien geleistet wird. Gleichzeitig sind überdurchschnittlich viele von ihnen von Armut betroffen. Das darf uns nicht unberührt lassen.

Wir wollen Eltern stärker unterstützen als bisher. Für sie muss ein Paket geschnürt werden, das eine spürbare Kindergelderhöhung neben der Freibetragserhöhung und Verbesserungen beim Kinderzuschlag genauso umfasst wie gezielte Hilfen für Alleinerziehende und Eltern mit niedrigen Einkommen.

Ich bin sicher, dass wir unseren Koalitionspartner dabei an unserer Seite haben. Denn wer im Bundestagswahlkampf noch Kindergelderhöhungen von 30 Euro pro Monat und Kind versprochen, hat, darf jetzt nicht zögerlich sein.

Ihre Dr. Carola Reimann, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion