Während der einwöchigen Reise suchten Pantazis und weitere Abgeordnete aus dem Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten den Kontakt zu Akteuren aus Politik und Gesellschaft in England,
Schottland und Irland. „Es herrscht allgemein eine große Nervosität“, erklärt Pantazis. Besonderen Eindruck hinterließ dabei ein Besuch an der inner-irischen Grenze, an der die Polizei ihre Präsenz zuletzt verstärkt hat: „Wir hatten Gelegenheit, mit Pat Hynes einen der Unterhändler des Karfreitagsabkommens zu treffen. Wer die heute ‚grüne Grenze‘ sieht kann sich nur schwer vorstellen, dass hier noch vor wenigen Jahren bis zu 50.000 britische Soldaten stationiert waren – ein Soldat pro drei Einwohner in Nordirland.“ Eine Rückkehr zu einem solchen Schreckensszenario müsse unbedingt verhindert werden: „In Irland erreicht die EU Zustimmungsraten von bis zu 90 Prozent, das Land hat sich vom Armenhaus zum Musterknaben Europas entwickelt. Hier will keiner eine neue, feste Grenze“, beschreibt Pantazis seine Eindrücke.
Ähnliche Tendenzen sind in Schottland zu beobachten: „Die Menschen in Schottland sagen, dass ihr damaliges Unabhängigkeitsreferendum nur deshalb gescheitert ist, weil man das Teil Großbritanniens auch Teil der EU bleiben konnte. Diese Menschen fühlen sich jetzt hintergangen – mit unabsehbaren Folgen und Radikalisierungstendenzen.“ Aus deutscher Sicht besorgen Pantazis insbesondere die ebenfalls unabsehbaren Folgen eines ungeregelten „Brexits“: „Sollte es dazu kommen, dürften die deutschen Hochseefischer von heute auf morgen nicht mehr in britischen Gewässern fischen und würden damit einen großen Teil ihrer Geschäftsgrundlage verlieren. Das haben die britischen Vertreter aus dem Landwirtschaftsministerium bestätigt“, sagt Pantazis. „Grundsätzlich werden in nahezu allen Wirtschaftszweigen derzeit Investitionen zurückgehalten da keiner weiß, welche Auswirkungen ein unkontrollierter ‚Brexit‘ auf die
Zuliefererketten hätten. Die derzeitige Situation ist ein Sterben auf Raten.“
Schlimm sei zudem, dass die rassistischen Tendenzen, insbesondere gegenüber Gastarbeitern aus dem Osten Europas, auf den britischen Inseln zugenommen hätten: „Die Gesellschaft ist zutiefst gespalten und keiner weiß, wie es weitergeht“, so Pantazis. Dies gelte auch für Deutsche, die in Großbritannien leben und arbeiten: „Man hat Registrierungen vorgenommen, doch ob man nach einem EU-Austritt ein Bleiberecht erhält, ist oft ebenfalls völlig unklar.“ Entsprechend verunsichert seien die Exil-Deutschen, die sich nicht selten nach Alternativen umschauen: „Das ‚Brexit‘-Chaos ist ein trauriges Lehrstück, wie sich eine stolze und wirtschaftlich starke Nation entzweien kann. Wir können nur hoffen, dass es dem britischen Parlament gelingt, die Vernunft zurück an den Verhandlungstisch zu bringen“, erklärt Pantazis zum Abschluss der Reise.