Warum wurde das Impfen mit dem COVID-19-Impfstoff AstraZeneca ausgesetzt?
In sieben Fällen (Stand 15.03.2021) wurde in zeitlichem Zusammenhang mit einer Impfung mit dem COVID-19-Impfstoff AstraZeneca eine spezielle Form von schwerwiegenden Hirnvenenthrombosen in Verbindung mit einem Mangel an Blutplättchen (Thrombozytopenie) und Blutungen festgestellt.
- Es handelt sich um eine sehr schwere Krankheit, die außerdem schwer zu behandeln ist. Von den sieben betroffenen Personen waren drei Personen verstorben.
- Die betroffenen Personen hatten ein Alter zwischen etwa 20 und 50 Jahren.
- Sechs der betroffenen Personen hatten eine besondere Form von Hirnvenenthrombosen, nämlich eine Sinusvenenthrombose. Alle sechs Personen sind Frauen jüngeren bis mittleren Alters (s.o.). Ein weiterer Fall mit Hirnblutungen bei Mangel an Blutplättchen und Thrombosen war medizinisch sehr vergleichbar. Alle Fälle traten zwischen vier und 16 Tagen nach der Impfung mit dem COVID-19-Impfstoff AstraZeneca auf. Dies stellte sich als ein vergleichbares Muster dar.
- Die Anzahl dieser Fälle nach AstraZeneca-COVID-19-Impfung ist statistisch signifikant höher als die Anzahl von Hirnvenenthrombosen, die normalerweise in der Bevölkerung ohne Impfung auftreten. Dazu wurde eine Observed-versus-Expected-Analyse vorgenommen, bei der die Anzahl der ohne Impfung erwarteten Fälle in einem Zeitfenster von 14 Tagen der Anzahl der gemeldeten Fälle nach etwa 1,6 Millionen AstraZeneca-Impfungen in Deutschland gegenübergestellt wurde. Etwa ein Fall wäre zu erwarten gewesen, sieben Fälle waren gemeldet worden.
- Der von den schwerwiegenden Hirnvenenthrombosen mit Blutplättchenmangel betroffene Personenkreis in jüngerem bis mittlerem Alter ist nicht der Personenkreis, der von einem hohen Risiko für einen schweren oder gar tödlichen COVID-19-Verlauf betroffen ist.
- Neben den Expertinnen und Experten des Paul-Ehrlich-Instituts wurden weitere Experten für Thrombosen, Hämatologie sowie ein Adenovirus-Spezialist mit den Details der gemeldeten Fälle hinzugezogen. Alle Expertinnen und Experten waren einstimmig der Meinung, dass hier ein Muster zu erkennen ist und ein Zusammenhang der gemeldeten o.g. Erkrankungen mit der AstraZeneca-Impfung nicht unplausibel sei.
Nach Gesamtbetrachtung und Erwägung der genannten Fakten hat das Paul-Ehrlich-Institut empfohlen, die Impfung mit dem COVID-19-Impfstoff AstraZeneca in Deutschland vorsorglich auszusetzen, um die Fälle weiter zu analysieren. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) ist dieser Empfehlung gefolgt. Der Ausschuss für Risikobewertung auf dem Feld der Pharmakovigilanz (Pharmacovigilance Risk Assessment Committee, PRAC) bei der Europäischen Arzneimittelagentur (European Medicines Agency, EMA) wird im Laufe der Woche vom 15.03.2021 prüfen, ob und wie sich die neuen Erkenntnisse auf das Nutzen-Risiko-Profil des AstraZeneca-COVID-19-Impfstoffs und die EU-Zulassung des Impfstoffes auswirken.
Wie schwerwiegend sind die Verdachtsfälle von Nebenwirkungen?
Es handelt sich um Verdachtsfälle von sehr schwerwiegenden Nebenwirkungen. Von den sieben betroffenen Personen sind drei verstorben. Ob ein kausaler Zusammenhang zwischen der Impfung und der Erkrankung besteht, wird aktuell untersucht.
Bei Anti-Baby-Pillen kann es doch auch zu Thrombosen kommen. Warum gibt es dann die Aufregung um den COVID-19-Impfstoff AstraZeneca?
Es ist richtig, dass für Anti-Baby-Pillen Thrombosen, auch mit tödlichem Verlauf, als sehr seltene Nebenwirkung bekannt sind. Sie sind in der Patienteninformation aufgeführt. Die Anti-Baby-Pille ist verschreibungspflichtig. Jede Frau muss von der verordnenden Ärztin bzw. von dem verordnenden Arzt über dieses Risiko aufgeklärt werden. Für die AstraZeneca-COVID-19-Impfung besteht aktuell ein Verdacht auf die sehr seltene Nebenwirkung einer Sinusvenenthrombose mit begleitendem Blutplättchenmangel mit teils tödlichem Verlauf. Sie ist nicht in der Patienteninformation aufgeführt.
Die Abwägung, ob der Impfstoff weiterhin genutzt werden kann, obwohl er möglicherweise diese sehr seltene Nebenwirkung verursacht (ggf. nach Ergänzung dieses Risikos in der Fach- und Patienteninformation) wird auf europäischer Ebene durch die Europäische Arzneimittelagentur (European Medicines Agency, EMA) und auf nationaler Ebene durch die Politik getroffen werden. Das Verfahren ist eingeleitet
Wie viele Fälle in Deutschland und Europa sind betroffen?
Seit Beginn der Impfung mit dem COVID-19-Impfstoff AstraZeneca und bisher durchgeführten etwa 1,6 Millionen Impfungen in Deutschland sind sieben Fälle schwerwiegender Hirnvenenthrombosen (sechs davon Sinusvenenthrombosen bei Frauen) in Deutschland gemeldet worden – drei betroffene Personen sind verstorben.
Wer ist betroffen?
Es sind sechs Frauen und ein Mann im Alter von etwa 20 bis 50 Jahren betroffen (Stand 15.03.2021). Aufgetreten waren die Erkrankungen im Zeitraum von vier bis 16 Tagen nach Impfung mit dem COVID-19-Impfstoff AstraZeneca.
Was kann ich tun, wenn ich eine Impfung mit dem COVID-19-Impfstoff AstraZeneca erhalten habe?
Nach bisheriger Lage der gemeldeten Verdachtsfälle waren Personen betroffen, die sich im Zeitraum von vier bis 16 Tagen nach AstraZeneca-COVID-19-Impfung weiter unwohl fühlten und gesteigerte Kopfschmerzen hatten. Die Hirnvenenthrombosen traten nach bisheriger Erkenntnis bei sieben von 1,6 Millionen Impfungen auf, sind also sehr selten.
Das Paul-Ehrlich-Institut weist darauf hin, dass Personen, die den COVID-19-Impfstoff AstraZeneca erhalten haben und sich mehr als vier Tage nach der Impfung zunehmend unwohl fühlen – mit starken und anhaltenden Kopfschmerzen oder punktförmigen Hautblutungen – sich unverzüglich in ärztliche Behandlung begeben sollten.
Am Freitag, den 12.03.2021, wurde die Impfung mit dem COVID-19-Impfstoff AstraZeneca noch nicht ausgesetzt. Jetzt schon. Was hat sich seit dem Freitag geändert?
Am Freitag, dem 12.03.2021, lag die Häufigkeit der aufgetretenen Hirnvenenthrombose innerhalb der geimpften Personen in einem Bereich, wie man ihn auch in der nicht geimpften Bevölkerung erwarten würde. Ein wichtiges „Werkzeug“ in der Pharmakovigilanz – der Arzneimittelsicherheit – ist die Prüfung, ob eine vermutete Nebenwirkung häufiger innerhalb der geimpften Personengruppen auftritt als bei nicht Geimpften (Observed- vs. Expected-Analyse). Liegt die Häufigkeit eines Ereignisses innerhalb der erwarteten Häufigkeit, spricht dies eher für ein zufälliges Auftreten in zeitlichem Zusammenhang mit der Impfung. Tritt die beobachtete unerwünschte Reaktion jedoch statistisch häufiger in der Gruppe der geimpften Personen auf, ist dies ein Risikosignal, also ein Hinweis auf einen möglicherweise ursächlichen Zusammenhang mit der Impfung.
Am Montag, dem 15.03.2021, wurden zwei weitere Fälle von Hirnvenenthrombosen nach Impfung mit dem COVID-19-Impfstoff AstraZeneca gemeldet. Durch die zusätzlichen Fälle lag am Montag die Zahl der beobachteten Fälle deutlich oberhalb der zu erwartenden Anzahl. Das Paul-Ehrlich-Institut hat nach Konsultation weiterer externer Expertinnen und Experten in der Gesamtschau der vorliegenden Fakten am Montagmittag eine vorläufige Aussetzung der Impfungen mit dem COVID-19-Impfstoff AstraZeneca empfohlen. Dem ist die Bundesregierung gefolgt.
Worauf müssen diejenigen achten, die mit dem COVID-19-Impfstoff
von AstraZeneca geimpft worden sind?Wer vier bis 16 Tage nach einer Impfung mit COVID-19-Impfstoff AstraZeneca anhaltende Kopfschmerzen entwickelt oder punktförmige Hautblutungen bei sich entdeckt, sollte sich bitte dringend in ärztliche Behandlung begeben. Es ist aber gleichzeitig wichtig darauf hinzuweisen, dass es sich um eine sehr seltene potenzielle Nebenwirkung handelt. Sie wurde in Deutschland siebenmal bei insgesamt 1,6 Millionen geimpften Personen festgestellt. Es ist also wichtig, auf mögliche Anzeichen dieser Nebenwirkung zu achten – gleichzeitig ist die Wahrscheinlichkeit des Auftretens sehr gering.
Können diejenigen, die bisher nur die Erstimpfung mit demAstraZeneca-Impfstoff erhalten haben, jetzt mit einem anderenImpfstoff geimpft werden?
Grundsätzlich wird empfohlen, den Impfschutz gegen COVID-19 durch vollständige Impfung mit einem Impfstoff herzustellen, bei AstraZeneca also mit zwei Impfungen. Zwar ist die Impfung aktuell ausgesetzt, aber die Entscheidung, ob die beobachteten Fälle in der Nutzen-Risiko-Bewertung durch die Europäische Arzneimittelagentur tatsächlich ein dauerhaftes Aussetzen der Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff zur Folge haben, bleibt abzuwarten. Zudem liegen derzeit noch keine Daten zu einer Kombination verschiedener Impfstoffe vor. Aktuell laufen hierzu Studien.
Aus diesen Gründen sollte derzeit der Impfschutz nicht mit einem anderen Impfstoff komplettiert werden. Zudem hat der Körper nach der Erstimpfung bereits einen gewissen Schutz gegen einen schweren Verlauf von COVID-19 entwickelt. Vor dem Hintergrund, dass der Impfabstand zwischen den beiden Impfungen mit dem COVID-19-Impfstoff von AstraZeneca zwölf Wochen betragen soll und auch ein Überschreiten des Impfabstands nicht dazu führt, dass die Impfung nicht mehr wirkt, sollten in Ruhe die Ergebnisse der aktuellen Überprüfung abgewartet werden.
Wann wird entschieden, ob die Impfung mit dem COVID-19-Impfstoff AstraZeneca fortgesetzt wird?
Die Expertinnen und Experten der nationalen Arzneimittelbehörden bewerten in den Gremien der Europäischen Arzneimittelagentur (European Medicines Agency, EMA) die aktuellen Verdachtsfälle zu schwerwiegenden Nebenwirkungen des COVID-19-Impfstoffs AstraZeneca. Sobald die wissenschaftlichen Untersuchungen abgeschlossen sind, wird die Europäische Arzneimittelagentur eine abschließende Bewertung des Nutzen-Risiko-Profils des Impfstoffs vornehmen und entscheiden, ob die Zulassung weiter Bestand hat. Mit einem ersten Ergebnis ist in der laufenden Woche zu rechnen.
(Urheber des Textes ist das Paul-Ehrlich-Institut, 16.03.2021)